Es ist geschafft – in der Ratssitzung am vergangenen Mittwoch wurde der Haushalt 2021 einstimmig verabschiedet. Mit 52 Haushaltsanträgen stellten die Grevener Fraktionen einen neuen Rekord auf. In vielen Haushaltsreden wurde der kooperative und kollegiale Umgang miteinander gelobt. So auch von Henning Brockfeld, der für die Grünen die Anmerkungen zum Haushalt zusammenfasste:
Gedanken zum Haushalt 2021
Sehr geehrter Bürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrte Mitarbeiter*innen aus der Verwaltung und den TBG – und da schließe ich explizit, die hier nicht Anwesenden ein: vielen Dank für ihre Geduld mit uns bei der Stellungnahme, der Durchsprache und Nachbereitung unserer Haushaltsanträge. Mir hat insbesondere die Stellungnahme zu den Laufwegen der Parkraumüberwacher*innen sehr imponiert.
Sie werden sich jetzt fragen, warum ich hier stehe; ist doch das Recht der Fraktionsvorsitzenden die Haushaltsrede zu halten. Ich frage mich dagegen: wo steht das geschrieben? Wir haben jedenfalls am Wochenende Streichhölzer gezogen.
In den vergangenen Jahren gab es an dieser Stelle vermutlich das Ritual, eine Abrechnung mit dem Bürgermeister und den Parteien im Rat vorzunehmen. Diesem Ritual möchte ich nicht folgen.
In der neuen Ratszusammensetzung hat sich einiges geändert: Er ist diverser geworden, weiblicher, multikultureller und wohl auch jünger. Wir haben einen jungen Bürgermeister, der nicht mehr mit dem halben Ort verwandt, verschwägert und in vereinskameradschaft verbunden ist. Gleichzeitig höre ich von langjährigen Ratsmitgliedern Freude darüber, wie sich der politische Stil, die Arbeitskultur und die Kommunikation geändert habe. Wenn das so ist, dann lassen sie uns es beibehalten. Ich freue mich auf die sachliche Auseinandersetzung und Zusammenarbeit im Haushaltsjahr 2021.
In der vor uns liegenden Ratsperiode werden wir mit dem heute und in den Folgejahren verabschiedeten Finanzrahmen viele Weichen für die stadtgemeinschaftliche Entwicklung stellen. Da sind zunächst mal die Punkte, die wir hier ausführlich diskutiert und vereinbart haben, die lange Zeit unmöglich schienen: die Erweiterung der Jugendarbeit, der Einstieg in die Schulsozialarbeit, der Skaterpark, die Erhöhung der Ausgaben für klimaschonende Mobilität, aber auch die Auswirkungen der katastrophalen Lage am FMO, die uns derzeit nur mittelbar betrifft aber am Horizont sichtbar ist.
Darüber hinaus all die Themen, die uns erwarten, aber noch keinen diskussionswürdigen Platz im Haushalt gefunden haben: Sie alle – und ich auch – denken sicherlich sofort an: die Wohnungsbaugesellschaft, das Rathaus und den Rathausplatz, den Schulentwicklungsplan und dessen Umsetzung, den Beach (Herr Bürgermeister!) und die weitere Umsetzung der Konzepte und Pläne, die uns von unseren Vorgängern hinterlassen wurden. Und natürlich wird es auch um die Bewältigung der Pandemiefolgen gehen, die wir bislang isolieren dürfen.
Das alles ist richtig und wichtig. Ich möchte gerne darüber hinaus denken: In dieser Ratsperiode wird es darauf ankommen, ob wir als gewählte Vertreter der Einwohner Greven in der Lage sind die bereitgestellten Haushaltsmittel so für Greven zu verwenden, dass wir einerseits unseren fairen Beitrag zur CO2 Reduktion leisten um der Klimakatastrophe keinen weiteren Vorschub zu geben und andererseits die Stadt auf die erwarteten Folgen des Klimawandels vorbereiten.
Diese Folgen des Klimawandels deuten sich heute schon an: Wetterextreme – vom Jahrhunderthochwasser in 2015 bis zu einem winterlichen Temperaturverlauf von knapp über Null auf
-14 Grad und dann auf +18 Grad innerhalb von zwei Wochen. Hitzewellen und eine zunehmende Trockenheit, die sowohl die Landwirte spüren; die sich aber auch in Form von erkrankten Bäumen der Stadtgesellschaft offenbart.
Was hat es also mit unserem fairen Beitrag zur CO2 Reduktion auf sich: Derzeit liegt der pro Kopf Verbrauch am CO2 Restguthaben in Greven bei ca. 10,7t pro Jahr. Um das vereinbarte Klimaziel für 2030 zu erreichen, muss dieser Verbrauch auf ca. 2t CO2 pro Jahr und Kopf reduziert werden.
Um das auf unseren Haushalt runter zu brechen, möchte ich gerne Hr. Bücker zitieren, der an einer Stelle mal gesagt hat: „Bei unseren Investitionen kommt es vor allem darauf an, dass wir in Infrastruktur investieren, die auch in 50 Jahren noch von Bedeutung ist.“ Ich möchte dem hinzufügen: sie müssen zusätzlich einen Beitrag zur weiteren Reduktion des CO2 Verbrauchs leisten!
Unsere Kinder und Enkelkinder werden vielleicht in zehn oder zwanzig Jahren fragen, warum wir heute so wenig gegen den absehbaren Klimawandel getan haben. Insofern – und jetzt komme ich doch noch zu einer Abrechnung – bin ich enttäuscht, wenn wir im Rat nicht einmal Gedanken dazu zulassen. Gedanken – auch Konzepte genannt – zu einer CO2 neutralen und atomfreien Stromlieferung für alle Haushalte in Greven und ein Konzept über die weitere Entwicklung, die sogenannte Konversion des FMO.
Wir werden uns daher daran gewöhnen müssen, nicht mehr von Haushalt zu Haushalt zu denken, sondern in deutlich längeren Zeiträumen. Und wir werden uns auch mit unangenehmen Themen und Entscheidungen befassen müssen.
Ein chinesisches Sprichwort sagt:
Wenn der Wind des Wandels weht, bauen die einen Mauern und die anderen Windmühlen.
Lassen sie uns in Greven die Windmühlenbauer sein.
Wir stimmen dem Haushalt 2021 zu.
Vielen Dank!